Max Lobe:
Drei Weise aus dem Bantuland
Die Misere klopft seit einiger Zeit laut an unsere Tür. Ich habe meinen Traumjob immer noch nicht gefunden, genauer gesagt habe ich überhaupt keinen Job gefunden. Und trotz aller Anstrengungen gibt es nicht das leiseste Anzeichen für eine wirkliche Veränderung, cioè, für einen echten Job, der meinen hohen Erwartungen eines jungen Hochschulabsolventen entsprechen würde. Alle unsere Ersparnisse sind aufgebraucht. Ruedi hat aus seinen heimatlichen Bergen ein kleines trockenes Gombo mitgebracht, mit dem wir die Miete und einige andere Rechnungen bezahlen konnten. Diesen Monat haben wir uns gerade noch so über Wasser gehalten. Ansonsten haben wir nicht mehr viel. Praktisch nichts, außer dem Essen aus Bantuland.
Hier in meiner Hand habe ich alle Ersparnisse zusammengetragen, die noch in unserer Wohnung aufzufinden waren. Ein paar vergessene Münzen hier und da, in einem Schubfach, einer Hosentasche oder auch unter dem Bett. Viele gelbe Münzen. Die, die keiner mehr in der Tasche haben will. Die, bei denen sich sogar Obdachlose und andere Bettler das Recht vorbehalten, sie abzulehnen.
Als würden wir über die Aufteilung eines milliardenschweren Erbes in Schweizer Franken verhandeln, sitzen wir lange zusammen, um zu entscheiden, was wir mit unserem Vermögen, das vor uns aufgetürmt liegt, tun möchten.
- Elf Franken fünfunddreißig, sage ich und betrachte dabei den Haufen alter Geldstücke auf unserem kleinen Küchentisch.
Ruedi dreht sich eine Zigarette mit der ihm eigenen Präzision. Er zündet sie an und stößt dunklen gelblichen Rauch aus, der sein purpurfarbenes Rotschopfgesicht einhüllt.
- Was essen wir die nächsten Tage? fragt er mich, und ich kann das ganze Ausmaß der Angst spüren, die ihm im Hals steckt.
- Es ist noch Ndolè da. Das haben wir noch nicht ganz aufgegessen. Wir haben auch noch Maniok und Erdnüsse und ein paar Kürbiskernkekse. Das könnte reichen.
Ruedi errötet. Ich sehe, dass er nicht weiß, was er sagen soll. Diese Geschichte hier ist zu viel für ihn. Wenn er jetzt, so wie wir dasitzen, den Mund aufmacht, wird er uns derart selbst bemitleiden, dass er anfangen wird zu heulen wie ein Kind, das von seiner Mutter verlassen wurde. Und wenn ich den Mund aufmache, müsste ich wahrscheinlich drastische Sparmaßnahmen vorschlagen, die ihn genauso zum Weinen bringen würden. Ich will aber nicht, dass er weint. Und außerdem hat er wirklich keinen Grund sich zu beklagen: Ich habe gerade ein kleines, dreimonatiges Praktikum ergattert, das uns für eine gewisse Zeit über die Runden bringen wird. Immerhin etwas. Wenigstens musste ich in dieser Zeit meine Beraterin vom Arbeitsamt nicht treffen, die sowieso nichts für mich tun kann.
- Komm, rauch ein bisschen, sage ich zu Ruedi. Das geht vorbei. Wir schaffen das schon. Kopf hoch!
- Seit wann glaubst gerade du an Wunder?
- Nzambè hat den Menschen nur entworfen. Hier auf Erden erschafft sich jeder selbst.
- Schon wieder deine blöden Sprichwörter.